Die pädagogische Landschaft hat sich seit 1998 gravierend verändert. In der Regel waren die jungen Menschen, die zu uns in die Betreuung kamen, 13–14 Jahre alt oder älter. Heute bekommen wir Anfragen bezüglich der Aufnahme von sechsjährigen Kindern.
Studien, beispielsweise von Marc Schmid1, belegen, dass es kaum einen öffentlichen Bereich gibt, in dem eine vergleichbar große Anzahl von psychisch belasteten und traumatisierten Kindern betreut wird wie in den stationären Erziehungshilfen. Darüber hinaus weisen die Kinder/Jugendlichen zwei oder mehr Platzierungen vor dem ersten klinisch-stationären Aufenthalt auf und häufig kommt es zum Abbruch der Maßnahme, wenn der junge Mensch fehlplatziert ist. Annähernd 20 Prozent der Hilfeverläufe sind in einem hohen Maße von Verlegungen zwischen einzelnen Einrichtungen und Hilfeformen betroffen2. Die Jugendlichen werden zu „heimatlosen Vagabunden“3, deren Bestreben es ist, die Hilfsangebote und Beziehungen auf ihre Verlässlichkeit hin auf die Probe zu stellen. Der Soziologe Michael Vester spricht von der Tendenz der „Entkoppelung“ (ebd.). Durch Trennung, Scheidung und Wiederverheiratung unterliegen ihre Biografien einer Enttraditionalisierung zugunsten der Individualisierung, die einerseits zu mehr gesellschaftlicher Mitbestimmung führt, andererseits aber auch zu einem Werteverfall.
Die Verhaltensoriginalitäten der jungen Menschen werfen immer mehr unbeantwortete Fragen in den pädagogischen Fachteams auf. Wenn Krisen im sozialen Alltag nicht mehr alleine bewerkstelligt werden können, werden professionelle Teams in Anspruch genommen, die die Geltungsansprüche aller Parteien explizit und methodisch bearbeiten. Die psychosoziale Problemlage ist oft so komplex und undurchsichtig, dass es selbst den Fachteams schwerfällt, eine geeignete Hilfeart zu platzieren. Wegen der Unterschiedlichkeit der Grundbedingungen (der junge Mensch mit seiner geschichtlichen Rahmung, sein Familiensystem, die erlernten Handlungsmuster etc.) ist soziale Arbeit nicht standardisierbar. Für die Jugendhilfe bedeutet dies, dass die Feststellung der konkreten Krise, im Bezugsrahmen der in die Krise geratenen Lebenspraxis, in Form einer Analyse stattfinden muss.
Dieser Aufgabe stellt sich das Team der Florack & Skrobanek GbR, denn nicht nur die Pädagogen sind überfordert, auch die jungen Menschen und vor allem ihre Bedürfnisse werden nicht wahrgenommen oder/und deren Verhalten fehlinterpretiert. Eine Veränderung der Handlungsmuster kann von dem jungen Menschen nur erwartet werden, wenn die intrapsychischen Prozesse, die sein subjektives Erleben charakterisieren und seine Handlungsweisen bestimmen, erkannt werden und er sich dadurch verstanden fühlt. Darüber hinaus ist diese Erkenntnis für die Wahl einer sozialpädagogischen Intervention unerlässlich.
Wissenschaftliche Methoden zur Erfassung sozialer Prozesse sind in der Sozialwissenschaft zwar schon seit 30 Jahren etabliert, finden im operativen Geschäft der Jugendhilfe aber nur schwer Zugang. Methodisches Arbeiten ermöglicht dem Fachteam, aus der subjektiven Wahrnehmung zu einer größtmöglichen Objektivität zu gelangen. Durch die so erarbeiteten pädagogischen Interventionsstrategien können nachvollziehbare Erfolge erzielt werden, die nicht nur die Effizienz, sondern auch die Qualität steigern.
1 Marc Schmid 2012: Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel, 28.06.2012.
2 Annika Frijia 2009: Traumatisierte Kinder und Jugendliche in der stationären Jugendhilfe – Traumafolgen als Herausforderungen für den pädagogischen Alltag; Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg.
3 Michael Vester, Peter von Oertzen, Heiko Geiling, Thomas Hermann, Dagmar Müller 1993: Soziale Milieus im gesellschaftlichen Strukturwandel – Zwischen Integration und Ausgrenzung; Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, Seite 38.